Screenplayer
Was verbindet ein Techno Rave, ein Beethovenkonzert, ein mongolischer
Obertongesang und das Geräusch eines Staubsaugers miteinander?
Sie sind allesamt Beispiele unterschiedlicher
Klangterritorien, die
offenbar wenig miteinander zu tun haben. In allen Fällen hören
wir Klänge, die sich jedoch in verschieden "klanglichen
Territorien" aufzuhalten scheinen.
Klangterritorien
sind nicht scharf voneinander abgegrenzt. Ihre Unterscheidung
erschöpft sich keinesfalls in der Zuordnung zu verschiedenen
Genres oder in unterschiedlichen Klangfarben. Eine Klaviersonate von
Beethoven besetzt z.B. ein anderes Territorium als das Klavierstück
X von Karl-Heinz Stockhausen.
Treffen verschiedene
Klangwelten aufeinander, können sie manchmal sich ergänzen,
gegenseitig kommentieren oder gar etwas völlig Neues ergeben. So
wurde beispielsweise vor fast 60 Jahren die Verbindung des indischen
Sitar-Klangs mit dem Klang einer Rockband im Beatles-Song
Norwegian
Wood zum Startpunkt gänzlich neuer Stilrichtungen.
Von Menschen
erfundene Klangfolgen wollen uns normalerweise etwas sagen, zu uns
reden. Sie verhalten sich also ein wenig wie Texte. Diese wiederum
lassen sich bekanntermaßen in der digitalen Welt problemlos
miteinander verbinden durch die
Hypertext Markup Language (HTML) des
World Wide Web. Durch Links vermittelt können unterschiedliche
Texte miteinander vernetzt werden. Die Leser können sich ihren
individuellen Pfad durch dieses Netzwerk suchen.
Der am 1. Februar 2023 auf tragische Weise ums Leben gekommene Komponist
Friedhelm (Freed) Hartmann (er lebte die letzten mehr als 25 Jahre in Israel) übertrug dieses
Konzept auf die Welt der Klänge. Seine
hypersound touchpoints
verlinken Klangterritorien miteinander. Siehe
hier.
Vier Fenster mit
zuvor bereitgestellten musikalischen Materialien in Form von Klangdateien lassen sich durch Klick
mit der Maus an beliebigen Stellen zum Leben erwecken. Die Fenster können Links in
Form von farbigen Punkten (
Touchpoints) enthalten. Sie dienen als
Vorschläge und zur Orientierung beim Weg durch die Klanglandschaften.
Ein Klick mehr zum oberen Rand der Fenster lässt die Musik
lauter erklingen, beim Klick in die unteren Regionen wird es leiser.
Mit der Hilfe von Standardsoftware zur Fernsteuerung von Rechnern
können mehrere auch weit voneinander entfernte Personen in einer
Aufführung miteinander kollaborieren und gemeinsam Pfade durch die Klangterritorien finden.
Technische
Beschränkungen der Software bewogen mich zur Entwicklung eines
für das Web optimierten vollständig auf HTML5 basierenden
und einfacher zu handhabenden
Screenplayers. Dieser erfuhr im
Dezember 2012 seine Feuertaufe: beim zweiten der
Freesound
mixt(o)ur-Konzerte in Jaffa bei Tel Aviv, Israel, kam sowohl
Friedhelms ursprünglicher Touchpoint Screenplayer als auch der
neue "Dataflo Screenplayer" zum Einsatz. Vier Komponisten/Performer aus Deutschland und Israel
steuerten dabei die Touchpoints und Klänge des im Konzertsaal in Jaffa beheimateten Screenplayers. Ein
Video mit
einigen Eindrücken von den Konzerten ist auf YouTube anzuschauen.
Mittlerweile wurde
der Screenplayer nochmals erweitert. Anlass war ein Beitrag
für das Festival
Blaues Rauschen in 2022. Nun können
mehrere Sätze unterschiedlicher Touchpoints verwendet werden. Außerdem
kann eine Art Partitur geschrieben werden, die für bestimmte
Touchpoints oder nach festgelegten Zeiten eine Umschaltung der
Touchpoint-Sets und der Sound-Windows ermöglicht.
Einige der
Screenplayer-Setups können hier ausprobiert werden. Das erste
der Beispiele funktioniert sogar auf Smartphones und Tablets.
Enjoy!